Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute eine neue Grundsatzentscheidung zur Frage von Mietminderung wegen Nachbarschaftslärm (hier insbesondere Kinderlärm) gefällt.
Der Fall:
Vor vielen Jahren mieteten die Beklagten in Hamburg eine Wohnung im Erdgeschoss mit Terrasse. Direkt neben dem Grundstück befindet sich eine Schule. Auf dem Gelände der Schule wurde 20 Meter von der Terrasse der Beklagten entfernt ein Bolzplatz gebaut. Dieser Bolzplatz sollte laut Angaben der Schule Kindern bis 12 Jahren in der Zeit von Montag bis Freitag bis 18 Uhr zum Spielen offenstehen.
Ab Sommer 2010 meldeten die Beklagten bei ihrem Vermieter erhebliche Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die auch außerhalb dieser Zeiten auf dem Bolzplatz spielten. Die Beklagten minderten die Miete dann um 20%. Die Vermieter waren mit der Mietminderung nicht einverstanden und klagten gegen die Mieter auf Zahlung der geminderten Miete und Feststellung, dass kein Grund zur Mietminderung wegen Lärm bestand. Das Amts- und das Landgericht hat die Klage zunächst abgewiesen.
Die Revision beim BGH hatte jetzt jedoch Erfolg.
Die Entscheidung:
Der BGH hat hier entschieden, dass in den hier neu aufgetretenen Lärmbelästigungen jedenfalls dann kein Mangel der Mietsache mit Folge der Mietminderung gesehen werden kann, wenn auch der Vermieter selbst die Belästigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten – etwa mit Rücksicht auf das bei Kinderlärm bestehende Toleranzgebot – als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsste.
Dazu führte der BGH aus, dass nachteilige Einwirkungen auf die Mietsache von außen– sogenannte „Umweltmängel“ wie etwa Lärm von Nachbarn – Gegenstand einer Vereinbarung über die Beschaffenheit der Mietwohnung sein können. Kommt es im Laufe der Zeit zu nachteiligen Änderungen hinsichtlich der Außeneinwirkung (hier der Lärmpegel), kann dies einen Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 BGB) mit der Folge der Mietminderung begründen. Allerdings kann – entgegen einer verbreiteten Praxis – bei Fehlen einer solchen ausdrücklichen Vereinbarung nicht einfach davon ausgegangen werden, dass die Mietvertragsparteien den bei Vertragsschluss vorgefundenen Wohnstandard in Bezug auf Umweltmängel (hier: Lärm) stillschweigend dahin festlegen wollen, dass dieser Zustand sich über die Dauer des Mietverhältnisses hinweg nicht nachteilig verändern darf und der Vermieter seinen Fortbestand jedenfalls im Wesentlichen zu garantieren hat. So lag der Fall hier, da es keine ausdrückliche Vereinbarung im Mietvertrag bezüglich Lärm gab.
Bei Fehlen einer Vereinbarung im Mietvertrag ist die Frage, ob und in welchem Umfang der Mieter nachträglich auftretenden Lärm hinzunehmen hat, ohne sich auf einen Mangel der Mietwohnung und Mietminderung berufen zu können. Entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung hat ein Vermieter laut BGH nicht dafür einzustehen, dass sich ein bei Vertragsschluss hingenommenes Maß an Geräuschen vom Nachbargrundstück nicht nachträglich vergrößert, wenn der Vermieter diese Geräusche selbst gegenüber dem Nachbarn ohne Entschädigung zu dulden hätte. Der Mieter kann vielmehr nur verlangen, dass der Vermieter einen Geräuschanstieg gegenüber dem Nachbarn abwehrt oder ihm eine Minderung zubilligt, wenn auch der Vermieter selbst von dem Nachbarn für eine wesentliche, aber als ortüblich zu duldende Störung einen Ausgleich (z.B. Schadensersatz) verlangen kann.
Quelle: Pressemitteilung 072/2015 des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2015
Urteil vom 29. April 2015 – VIII ZR 197/14
AG Hamburg-Harburg – Urteil vom 16. Dezember 2013 – 644 C 148/13
LG Hamburg – Urteil vom 26. Juni 2014 – 307 S 11/14